W. G. Sebald und sein literarisches Erbe mit der Kategorie des Pathos in Verbindung zu bringen, hat auf den ersten Blick etwas Paradoxes. Sebald selbst hat in seinen kritischen Schriften und Gesprächen stets eine »unpathetische Diktion«, eine »leidenschaftslose Art der Rede«, eine Neutralität des Tons gefordert. Sein »ethisch-ästhetisches« Stilideal orientiert sich eher an der literarischen Tradition der Flaubertschen impassibilité und an sachlich-dokumentarischen Formen.

Zugleich aber steht Pathos als zu vermittelndes Unglück und Leid im Zentrum von Sebalds Werk. Sein antipathetisches Stilideal geht selbst auf verschiedene Traditionen des Pathos zurück und seine Prosa entwickelt ganz eigene Pathosformen und -formeln.

Der Sammelband möchte diesen Verfahrensweisen nachspüren und nach der ästhetischen, aber auch kulturkritischen sowie kulturpolitischen Funktion des Pathos in der internationalen zeitgenössischen Literatur fragen: Wie wird hier Empathie reguliert und reflektiert? Gibt es eine Poetik, Ästhetik, aber auch Medialität des Pathos? Gibt es spezifische, tradierte Erzählweisen des Pathos?

Michael Niehaus leitet das Lehrgebiet Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Medienästhetik an der Fernuniversität Hagen.

Claudia Öhlschläger ist Professorin für Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft mit dem Schwerpunkt Intermedialität an der Universität Paderborn.

Karine Winkelvoss ist Professorin für deutsche Literatur an der Université de Rouen Normandie.

Kay Wolfinger ist Geschäftsführer des Zentrums für Gegenwartsliteratur München und vertritt an der LMU München die Professur zur Gegenwartsliteratur.

Verlag Königshausen & Neumann
Würzburg 2023
256 Seiten, 39,80 Euro
ISBN 978-3-8260-7167-6